Vater-Tochter-Beziehung und ihr Einfluss auf die Partnerschaft
Es gehört zu den Grundbedürfnissen aller Kinder: sie wollen beantwortet, geliebt und wertgeschätzt werden.
Vom Vater nicht beantwortet werden bedeutet für das Mädchen, ich bin nicht wert, geliebt zu werden, – „also bin ich wertlos.“ Deshalb wird es eine Strategie wählen, mit der es die Aufmerksamkeit des Vaters auf sich ziehen kann.
1. Gefall-Tochter.Sie versucht unermüdlich, Vaters Aufmerksamkeit durch optische Gefälligkeit oder durch besonders gefälliges Verhalten zu erwerben. Es möchte Gesehen-Weden um so aus dem schrecklichen Gefühl des Vergessen-Werdens, des Nichtexistent-Seins erlöst zu werden: Ich gefalle, also bin ich.
2. Leistungs-Tochter. Sie wählt jene Bereiche aus, von denen sie weiß oder vermutet, diese könnten den Vater interessieren und erfreuen. Sie investiert ihre ganze Kraft, müht sich ab, scheut keine noch so große Anstrengung, um in diesem speziellen Gebiet leistungsstark zu werden: Ich bin leistungsfähig und erfolgreich, also bin ich.
3. Trotz-Tochter. Bringt dem Vater Widerstand entgegen, trotzt, legt sich quer zu allem, besonders zu seinen Ansichten. Sie ringt ihm seine Aufmerksamkeit ab, sie erkämpft sich sein Interesse, sie zwingt ihn, ihre Existenz zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihr zu duellieren: Ich spüre Widerstand, also bin ich.
Das Mädchen wählt jene Strategie aus, zu der es von seinen Anlagen her die besten Voraussetzungen mitbringt. Verfügt es über einer guten Empörungsenergie, um sich gegen das väterliche Desinteresse aufzubäumen, wird es die Rolle der Trotz-Tochter einnehmen. Ein eher introvertiertes Kind mit starken Anlagen zum Denkerischen entwickelt sich zur Leistungs-Tochter; ebenso ein Bewegungskind, das sich die sportlichen Bereiche erobern wird. Dann gibt es aber auch noch Mädchen, die wählen jenes Gebiet, das am erfolgversprechendsten ist, Vaters Aufmerksamkeit zu gewinnen, ob sie sich anlagemäßig eignen oder nicht. Und sie entwickeln sich zur Gefall-Tochter.
Selbstverständlich gibt es auch Mischformen, nämlich dann, wenn die väterliche Position nicht eindeutig war.
Vaterlose-Mädchen
Wenn ein Mädchen ohne Vater aufwächst, dann wird es seine Wirkung mit stellvertretenden Vaterfiguren testen. So können z.B. auch männliche Familienmitglieder wie Großvater, Onkel, älterer Bruder oder Lehrer die Funktion der väterlichen Resonanz übernehmen. In dieser Variante wird das Mädchen stets versuchen, auf mehreren Bühnen Applaus zu erhalten. Es sitzt also nicht in einer einzigen Rolle fest, sondern verfügt über ein breites Repertoire. Diese Mädchen suchen sich für ihre Entwicklung wichtige Vaterfiguren zusammen, notfalls mit Hilfe der Phantasie. Diese seien im Vergleich zu jenen, die zwar einen Vater haben, der ihnen aber an kein Interesse zeigt, besser dran. Denn während sich vaterlose Mädchen die Resonanz bei verschiedenen Vaterfiguren suchen, erleben Mädchen mit einem an ihm desinteressierten Vater: „Ich bin nichts wert, sonst würde sich Vater für mich interessieren.“
Einfluss auf die Partnerschaft
Der Grundstein für das zukünftige Verhalten der Tochter gegenüber dem anderen Geschlecht ist gelegt: will sie gesehen werden, will sie Anerkennung und Resonanz, muss sie alles daran setzen, um zu gefallen!
Das väterliche Desinteresse wird zunächst als Mangel gespeichert. Da nun aber ein Kind seinen Wert im Spiegel der Beantwortung erlebt, speichert es in seinen Körperzellen diese erste Erfahrung mit dem anderen Geschlecht zugleich als Selbstbild: so, wie ich bin, bin ich mangelhaft.
Das ist der Schlüssel, um zu verstehen, weshalb viele Frauen an größten Unwertsgefühlen leiden. Unbeantwortete Töchter zeichnen sich zudem durch eine hohe Begabung für Anpassungsfähigkeit aus. Sie werden keine Mühe scheuen noch im jungen Erwachsenenalter unverzüglich auf die nicht ausgesprochenen Wünsche eines Ersatzvaters einzustellen und alles daran setzen, Beifall und Anerkennung zu bekommen. Sei dies beim Schwiegervater, beim Vorgesetzten oder bei anderen männlichen Bezugspersonen.
Das Schicksal der „Gefall-Töchter“
Gefall-Töchter besitzen ein negatives Selbstbild. Sie wollen es loswerden, indem sie ständig versuchen, allen Männern zu gefallen. Sie orientieren sich ausschließlich daran, wie die männliche Welt auf sie reagiert. Solche Frauen sind leicht zu beeinflussen, manipulierbar, da sie ständig unter mangelnder Selbstsicherheit leiden. Sie suchen nach einem geeignetem Partner, der sie ständig bewundert und mit Aufmerksamkeit überhäuft.
Der Ersatzvater soll ständig interessiert sein und diese Töchter begehren. Doch sehr bald stellt sich heraus, dass genau diese Männer, die anfänglich wie der Prinz auf dem weißen Pferd wirken, recht bald das Interesse verlieren. Die Frauen geben nicht auf, versuchen es mit einer neuen Frisur, Diät oder Kleidung – jedoch ohne Erfolg.
Das Drama dieser Töchter steckt darin, dass sie genau von diesem einen Mann, der sie anfangs bewunderte und dann nur noch einen gelangweilten Blick übrig hat, beantwortet werden möchten. Dieses Muster kennen sie noch aus ihrer Vater-Beziehung.
Deshalb ist es ja auch so verdammt schwierig, sich von diesem Partner zu verabschieden. Er steht stellvertretend für den Vater, auf ihn sind sie fixiert und können ihn deshalb nur schwer loslassen. Eine Trennung würde bedeuten, dass sie sich endgültig von der Hoffnung verabschieden müssen, dass ein väterliches Echo auf ihre verzweifelten Rufe nach Aufmerksamkeit und Interesse kommt.
So tief prägt unsere Vatergeschichte unser Leben und unsere Partnerschaft. Der Vater ist der erste Mann und die erste Liebe für ein Mädchen. Wird es von ihm nicht beachtet und genauso zurück geliebt, bleiben sie immer auf Beziehungen fixiert, in denen sich diese Tragödien wiederholen. Im Innersten hoffen sie stets, dass irgendwann einmal ein Wunder geschieht und der Partner die Schulden des Vaters endlich begleicht.
Mag. Özlem Akpinar-Celtik
(Quelle: Onken, Julia: Vatermänner: ein Bericht über die Vater-Tochter-Beziehung und ihren Einfluss auf die Partnerschaft. München: Beck´sche Reihe; 1037)